Weihnachten
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Aus dem Leben eines Rentier-Azubis

Im Jahr 2020 habe ich das erste Mal beim Adventskalender bei der Büchereule mitgemacht. Der Adventskalender besteht aus 24 Kurzgeschichten, die User des Forums verfasst haben. Manchmal sind es Autoren, die Bücher veröffentlicht haben, manchmal sind des Hobbyschreiberlinge wie ich.

Vielleicht hast du ja Lust, die Beiträge von diesem Jahr zu lesen.

Das war meine Geschichte aus 2020:

Hej, mein Name ist Keijo und ich wohne in Rovaniemi, das liegt in Finnland, genauer gesagt in Lappland, direkt am Ohrenberg. Auf Finnisch nennt man ihn auch Korvatunturi. Es mag seltsam klingen, dass man mich „Elf“ genannt hat, aber wenn ihr mich sehen würdet, würdet ihr wissen warum. Wie Rudolf, das Rentier mit der roten Nase (ihr wisst schon, der mit den Liedern und Geschichten), habe auch ich ein Markenzeichen. Ich habe besonders spitze Ohren, daher hatte ich erst den Spitznamen Keijo. Jetzt weiß aber leider niemand mehr, wie mein richtiger Name lautet und ich war noch zu klein um ihn mir zu merken.  Ah, ich schweife ab… Wie immer. Was wollte ich euch denn nur erzählen… Ah, ich weiß es wieder: Ich wollte euch vom schönsten und phänomenalsten Erlebnis erzählen, das ich je erlebt habe.

Erst mal muss ich euch aber ein paar Hintergrundinformationen liefern. Ich bin vier Jahre alt und habe mein erstes Lebensjahr im Rentierkindergarten verbracht. Das war das Leben noch einfach und lustig. Wir durften spielen, wild umher rennen und den ganzen Tag Unsinn machen ohne Ärger zu bekommen. Ab meinem zweiten Lebensjahr ging es dann etwas ernsthafter zu. Rudolph (ja, der von dem ich weiter oben schon erzählt habe), hat meine Ausbildung als Schlittenrentier des Weihnachtsmanns übernommen. Man munkelt, dass Rudolph unsterblich ist. So genau weiß ich das allerdings nicht, denn ich bin ja erst vier Jahre alt und kenne ihn daher schon mein ganzes Leben lang. Was wenige Menschen wissen: Der Weihnachtsmann geht seinem Job auf dem Korvatunturi das ganze Jahr nach. Er hat sogar eine eigene Homepage, auf der  er genau erklärt, wie man mit ihm Kontakt aufnehmen kann. Es können sogar Besucher ins Weihnachtsmanndorf in Napapiiri kommen und den Joulupikki (also jenen Weihnachtsmann) treffen. Für ganz Verrückte gibt es noch einen Freizeitpark , der sich Santa Park nennt. Mir ist es dort aber zu laut und zu wuselig, daher bleibe ich lieber bei meinen Freunden in Rovaniemi. Könnt ihr euch vorstellen, dass Joulupikki sogar ein eigenes Postamt hat, das nur die Wünsche derer bearbeitet, die ihm schreiben? Der Joulupikki ist ein sehr freundlicher und fleißiger Mann, trotzdem schafft er es nicht ganz alleine an einem Tag im Jahr alle Menschen zu beschenken und hat einige Helfer. Unter anderem helfen ihm wir, die Rentiere und auch die Tonttus , das sind Wichtel. Sie leben auch das ganze Jahr hier bei uns. Es ist ein tolles Leben, denn wir sind tagtäglich von Weihnachtsdekoration, Weihnachtsmusik und oft auch von Schnee umgeben. Wer würde da schon gerne gegen das normale Leben wie ein gewöhnlicher Mensch es kennt, tauschen wollen?

Zurück zu meiner Ausbildung: Im ersten Jahr musste ich nur auswendig lernen. Flugrouten, wie man das Wetter für anstehende Reisen analysiert und wo welche Orte der Welt liegen. Das war soooo langweilig! Die beiden nächsten Jahre waren dann endlich genau mein Ding! Wir durften das ausüben, was wir vorher theoretisch gelernt haben. Ich durfte das erste Mal einen Schlitten ziehen (gar nicht so einfach synchron zu den anderen Rentieren zu ziehen) und wie man richtig abbremst ohne direkt alle Geschenke zu verlieren. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe in der Zeit sehr viel gelernt.

Letzte Woche war es dann endlich soweit: Ich durfte das allererste Mal dabei sein als der Joulupikki und die Tonttus Geschenke an die großen und kleinen Menschen verteilt haben. Die Tonttus basteln das ganze Jahr Geschenke und backen Weihnachtsplätzchen, damit das nicht alle Menschen alleine machen müssen. Ich war so aufgeregt bevor es los ging, so aufgeregt, dass ich nicht mal frühstücken konnte. Ich konnte alles, das ich in meiner Ausbildung gelernt habe, problemlos umsetzen und ich fühlte mich, als wäre ich genau für diesen Job geboren worden. Was für ein glückliches Schicksal. Manche Rentiere stehen ja in Zoos oder sonst wo rum und dürfen nie ihrer Bestimmung nachkommen. Ich frage mich, ob denen nicht irgendwas Wichtiges im Leben fehlt.

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen was das für ein großartiges Gefühl ist voller Vorfreude auf all die glücklichen Gesichter seine Arbeit auszuüben. Ich fühlte mich die ganze Zeit als würde ich von innen heraus leuchten, ein Wunder, dass wir nicht von einigen naseweisen Kindern erwischt wurden. Viele glauben ja immer noch, dass der Joulupikki alles allein schafft. Dieses tolle Gefühl wurde von all den schönen Träumen verstärkt, die ich von denen spüren konnte, die wir beschenkt haben. Ihr müsst wissen, dass viele Menschen zur Weihnachtszeit glückliche Träume haben. Viele Erwachsene wollen das aber nicht wahr haben und verdrängen diese Träume. Irgendwie schade, denn das würde ihnen wahrscheinlich viel Stress aus der Weihnachtszeit nehmen, wenn sie wüssten, dass jeder Mensch fähig ist Glück im Überfluss zu empfinden. Rudolph meint, dass ich zu denen gehöre, deren Berufung das Geschenke austragen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich das nie verstanden. Jetzt weiß ich genau, was er meint.

Ich hoffe, dass ich euch von diesem besonderen und glücklichen Gefühl , das ich euch hier geschildert habe, ein wenig abgeben konnte. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, dass jeder Weihnachten so sehr liebt wie meine Freunde und ich. Genießt die schöne Adventszeit und denkt dran: Im nächsten Jahr könnte ich derjenige sein, der euch die Geschenke bringt. Ich hoffe, ihr verschwendet dann einen kleinen Gedanken an mich.

Ich wünsche euch allen ein ganz besonders tolles und entspanntes Weihnachten.

Euer Keijo

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