Seitenwind [KW 41]
Bei Instagram habe ich zufällig gesehen, dass Papyrus Autor eine Aktion gestartet hat: Seitenwind. 10 Wochen lang kann jeder, der mag, zu 10 Themen etwas schreiben und in der Community teilen. Es gibt auch was zu gewinnen. Für mich ist es eine gute Möglichkeit um weiterhin schreiben zu üben.
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Ins Erzählen kommen…
Beschreib ein Essen aus deiner Kindheit. Eines, das du geliebt hast, vielleicht, oder eine Mahlzeit des Grauens. Brötchen mit Soße für 60 Pfennig von der besten Pommesbude der Stadt. Abendbrot bei deiner Oma, Derrick im Fernsehen. Esskastanien auf dem Weihnachtsmarkt und trotzdem kalte Hände. Dein Pausenbrot, die beunruhigenden Butterklumpen unter der Salami. Geh ins Detail. Lass deine Leser schmecken und fühlen.
Ich erinnere mich noch genau an Omas “Nudeln mit Schnee”.
Du weißt nicht, was das ist? Nun, dann folge mir in meinen Kopf, sieh dir meine Erinnerung an und erlebe mit, warum dieses Gericht für mich so besonders ist. Es sind nicht die vergleichsweise einfachen Zutaten, sondern meine Oma, die dieses Essen so einzigartig gemacht hat.
Als ich nach der Schule bei Oma ankomme, rieche ich es schon. Diese spezielle Mischung aus Nudeln und Käse, die wohl jedem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Oma steht im Türrahmen und lächelt mich an: “Da bist du ja. Weißt du, was es heute zu essen gibt?”
Ich will mir nicht anmerken lassen, dass ich es bereits weiß, denn ich sehe die Freude in ihrem Gesicht, wenn sie mir eröffnet, dass es heute mein Lieblingsgericht gibt. Die Vorfreude darauf, dass ich juchzend in die Küche renne, mich schon mal an den Küchentisch setze und es kaum erwarten kann, dass es endlich los geht.
“Heute gibt es Nudeln mit Schnee!” sagt sie und lächelt verschmitzt. Erwartungsgemäß juble ich und renne los in Richtung Küche. Es ist unser Ritual, das sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Oma kommt mir hinterher und nimmt sich die feine Reibe um den Emmentaler weiter zu reiben. Ich liebe es, ihr dabei zuzusehen. Sie sieht so zufrieden aus und ich bin mir jetzt noch sicher, dass nicht nur Nudeln und Käse, sondern auch eine große Portion Oma-Liebe in meinem Lieblingsgericht enthalten sind.
Als die Nudeln fertig sind, nimmt sie das große Metallsieb und schüttet das Wasser ab. Jetzt kommt der große Moment! Sie häuft einige Löffel Nudeln auf meinen tiefen Teller und gibt den in winzig kleine Stückchen gehobelten Käse über die Nudeln. Käse, der aussieht wie Schnee. Der Käse verläuft sofort und zieht köstliche Fäden. Ich kann es kaum erwarten, den ersten Bissen zu nehmen und schließe genießerisch die Augen. Was für eine Party meine Geschmacksnerven gerade feiern, kannst du dir bestimmt vorstellen. Der Kontrast zwischen dem milden Geschmack der Nudeln und dem fein-herben Geschmack des Käses ergibt für mich das perfekte Essen.
Leider ist es mir niemals gelungen, “Nudeln mit Schnee” nachzukochen, obwohl es nur aus Makkaroni, etwas Butter und fein geriebenem Emmentaler besteht. Ich weiß heute, dass in meinem Essen die Zutat Oma-Liebe fehlt. Also bleibt das Gericht, von dem ich nicht mal weiß, ob Oma es sich ausgedacht hat oder ob es noch andere Menschen gibt, die es kennen, bei mir in ebenso liebevoller Erinnerung wie meine leider schon verstorbene Oma.