#writingfriday [21. Oktober 2022]
Elizzy von readbooksandfallinlove hat diese Aufgabe gestellt:
Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Gespenster gibt es wirklich, gerade heute…“ beginnt.
Gespenster gibt es wirklich, erst gestern habe ich eins gesehen.
Ich war mit Skippy, meinem Australian Shepard, unterwegs zu einer langen Runde durch den Wald. Diese Hunderasse muss gefordert werden und daher gehe ich mehrmals am Tag mit ihm kleine Runden und gegen Abend eine große Runde, in die ich auch Hundespiele einbaue. Skippy muss etwas zu denken haben, sonst wird er ungemütlich. Das möchte niemand in seinem Umfeld erleben. Den ersten Teil seiner Runde verbinde ich immer mit einem entspannten Lauf, damit ich nicht einroste. Als Rentnerin habe ich zwar viel Zeit, aber ich merke täglich, dass ich nicht mehr zwanzig bin.
Während ich in gemächlichem Tempo durch die Pfade im Wald joggte, sah ich in einiger Entfernung jemanden oder etwas durch den Wald huschen. Gut, dass es im Sommer spät dunkel wird, sonst hätte ich ein sehr mulmiges Gefühl gehabt. Auf Skippy kann ich mich eigentlich immer verlassen, aber auch er kann ja jederzeit von einem Angreifer ausgeschaltet werden.
Ein wenig neugierig machte mich aber diese Bewegung dort hinten schon, also nahm ich all meinen Mut zusammen und ging mit mittlerweile langsamen Schritten auf das sich bewegende Etwas zu. Es schien sich nicht weg zu bewegen oder in meine Richtung zu kommen, aber trotz allem war es nicht bewegungslos. Ich nahm Skippy am Halsband um ihm wortlos zu signalisieren, dass er an meiner Seite bleiben sollte.
Kennst du das, wenn du trotz aller Skepsis zwar vorsichtig bist, ein mulmiges Gefühl hast, aber trotzdem das Gefühl hast, dass du die Situation aufklären musst? So ging es mir in diesem Moment.
Während ich weiter ging, bemerkte ich, dass dieses Etwas auf eine seltsame Art flackerte. Sowas hatte ich zuvor noch nie gesehen. Als ich näherkam, dachte ich, ich traue meinen Augen nicht: Vor mir stand ein Hologramm meines ersten Freundes, der in den 1970er Jahren tödlich mit seinem neuen blitzschnellen Auto ums Leben gekommen war. Wer tat mir so etwas an? Ich hatte Jahre gebraucht um mich von dem Verlust zu erholen und mich einem neuen Mann öffnen zu können. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als Ben noch einmal berühren zu dürfen. Mein Herz fühlte sich an, als würde es zusammengequetscht werden und ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Wie sehr ich ihn all die Jahre vermisst hatte! Heimlich trage ich seitdem ein Foto von ihm mit mir herum, das mittlerweile schon deutliche Anzeichen der jahrelangen Sehnsucht zeigte.
“Kathi, Liebste! Ich habe so lange nach dir gesucht. Wo warst du all die Jahre?”
Was? Wie konnte mein Peiniger Bens Stimme so täuschend echt nachmachen? Und warum? Was wollte er damit bezwecken? Unsicher suchte ich nach einer versteckten Kamera, einem Lautsprecher oder sonstigem elektronischen Equipment. Nicht, dass mir etwas hier mitten im Wald aufgefallen wäre, aber dennoch… ich hatte keine andere Wahl als mich umzusehen. Zu schmerzhaft war der Anblick, der mich erwartete, wenn ich einfach geradeaus sah.
“Hab keine Angst. Ich bin es, Ben! Ich weiß, ich sehe aus wie damals und du bist gealtert. Mein größter Wunsch war immer, dich zu finden und für immer zu beschützen. Leider haben die Höllenhunde mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach all den Jahren konnte ich fliehen und da bin ich nun. Ich habe alle Kraft, die mir zur Verfügung steht genutzt um mich für dich sichtbar zu machen und um dir zu zeigen, dass ich von nun an immer bei dir bin.”
Ben flackerte immer mehr und ich sah ihm an, dass er nicht mehr viele Kraftreserven hatte. Ich ging auf ihn zu und versuchte, ihn zu berühren. Leider war das unmöglich, denn er war offensichtlich ein Geist. Als seine Farben erloschen, merkte ich, wie sich eine Art Schleier um mich legte und mir warm ums Herz wurde. Ich fühlte mich tatsächlich beschützt.
Nun sitze ich hier mit meinem zerfledderten Foto und weine um meine erste große Liebe. Gleichzeitig bin ich glücklich, dass ich ihn noch mal sehen durfte. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass er von nun an immer bei mir ist und mich für den Rest meines Lebens begleitet. So, wie wir es uns vor so vielen Jahren gewünscht haben.